Corona in Israel – Interview mit Yossi Tal

Yossi Tal war einer der ersten Corona-Erkrankten in Israel. Mittlerweile ist er wieder gesund und erzählt von seinen Erfahrungen und dem israelischen Umgang mit dem Virus.

Lieber Yossi, du warst einer der ersten Israelis, bei denen COVID-19 diagnostiziert wurde. Wie kam es dazu?

Yossi: Als Reiseleiter komme ich täglich mit sehr vielen Menschen in Kontakt. Am 2. März empfing ich am Ben Gurion Flughafen eine neue Reisegruppe aus Baden-Württemberg. Die ersten Nächte verbrachte die Gruppe in einem palästinensisch-christlichen Gästehaus in der Nähe von Bethlehem. Von dort aus unternahmen wir Ausflüge nach Jerusalem und in die nähere Umgebung.

Ein paar Tage später – wir waren bereits in der Negev-Wüste angekommen – rief uns der Besitzer des Gästehauses an und erzählte, dass er am Coronavirus erkrankt sei.

Wie ging es weiter?

Yossi: Mir war sofort klar, dass wir die Reise abbrechen müssen. Bis Ende Februar war der Coronavirus etwas, dass wir hauptsächlich mit China und Asien verbanden, doch mittlerweile wurde das Thema auch in Israel heiß diskutiert. In Absprache mit dem Reiseveranstalter beschlossen wir, die Gruppe auf einen früheren Rückflug umzubuchen. Da die Lufthansa aufgrund des israelischen Einreiseverbots bereits am 8. März den Flugverkehr nach Israel eingestellt hatte, war das jedoch schwieriger als erwartet. Schließlich fand der Reiseveranstalter zwei Flüge für den kommenden Tag. Die verbleibende Zeit verbrachten wir hauptsächlich in unserer Unterkunft und machten uns nach einer kurzen Nacht um 01.00 Uhr schließlich auf dem Weg zum Flughafen.

Der Ben-Gurion Flughafen ist ja bekannt für seine strengen Sicherheitskontrollen. Wie hat das mit der Gruppe funktioniert? 

Ganz anders als normalerweise. Die Gruppe durfte das Abflug-Terminal nicht einmal betreten und auch auf die typischen Fragen wie: „Haben Sie Ihren Koffer selbst gepackt“ wurde verzichtet. Stattdessen brachte der israelische Reisebus die Gruppe direkt bis zum Flugzeug. In Deutschland wurde die Gruppe dann sofort auf das Coronavirus untersucht. Von den 44 Touristen wurden 21 positiv getestet. Ich fuhr vom Flughafen direkt nach Hause und befand mich von nun an in Quarantäne. Bei Telefonaten mit dem Gesundheitsministerium musste ich genau erklären, wo wir mit der Gruppe gewesen sind und wen wir getroffen haben. Das Programm der Gruppe wurde in den israelischen Medien veröffentlicht. So versuchte man damals, die Bevölkerung zu warnen und die Verbreitung des Virus' zu verlangsamen.

Und Du?

Ein paar Tage später wurde auch ich positiv auf COVID-19 getestet und ins Rambam-Krankenhaus nach Haifa verlegt. Bis dahin hatte ich nur leichten Husten und erhöhte Temperatur. Ich wäre lieber zu Hause geblieben aber man bestand darauf. Ich war jetzt offiziell Israels Corona-Kranker Nr. 106.

Erzähle ein bisschen von Deinen Erfahrungen im Krankenhaus selbst.

Die ersten Tage war ich mit einem 73-jährigen Israeli untergebracht. Er war schon seit ein paar Tagen dort, hatte diverse Vorerkrankungen, schien aber auf dem Weg der Besserung zu sein. Eines Nachts verschlechterte sich sein Zustand jedoch rapide und hinterher erfuhr ich, dass er die Krankheit nicht überlebt hat. Das war nicht einfach für mich. Später waren wir dann zu viert im Zimmer und ich erinnerte mich an die berühmte Rede von Präsident Rivlin, in der er von den „vier Stämmen“ innerhalb der israelischen Gesellschaft spricht: In meinem Zimmer lagen ein ultraorthodoxer Jude, ein georgischstämmiger Nationalreligiöser mit gehäkelter Kippa, ein arabischer Israeli und ich, der säkulare Ashkenasi.

Klingt wie der Beginn eines Witzes. Seit ihr gut miteinander ausgekommen?

Ja, das war überhaupt kein Problem, wobei wir natürlich alle Rücksicht aufeinander nehmen mussten. Für den orthodoxen Juden klebten wir am Freitag Abend z.B. die Glühbirne in unserem Kühlschrank ab, da es orthodoxen Juden an Schabbat bekanntlich nicht erlaubt ist, das Licht an- oder auszuschalten.

Wie fanden die Untersuchungen im Krankenhaus statt?

Prinzipiell versuchte man, die Coronakranken von den restlichen Patienten und auch den Mitarbeitern zu trennen. Die meisten Untersuchungen wurden auf Distanz durchgeführt. Jeder von uns erhielt so eine Art Handy mit Kamera und die Ärzte gaben uns Anweisungen, was wir tun sollten. Dinge wie Fiebermessen, Ermittlung der Pulsfrequenz und des Blutsauerstoffgehalts haben wir selbst gemacht und die Daten wurden dann per Funk an die Ärzte übermittelt. Sogar das Röntgen meiner Lunge geschah mit einem mobilen Gerät direkt bei mir im Zimmer. Im Nebenzimmer lag eine 90-jährige pflegebedürftige Frau, die von ihrem Sohn versorgt wurde, der auch an Corona erkrankt war. Verständlicherweise versuchte das Pflegepersonal den Kontakt mit uns auf ein Minimum zu reduzieren.

Wann durftest Du wieder nach Hause?

Noch lange nicht. Nach zwei Wochen schlug man mir vor, in ein sogenanntes Corona-Hotel zu wechseln. Ich wäre lieber nach Hause gegangen, aber schließlich stimmte ich zu. Ehrlich gesagt war es im Krankenhaus durchaus auch etwas anstrengend. Vier Männer in einem Zimmer mit nur einer Toilette. Da kein Reinigungspersonal in die Zimmer durfte, waren wir auch selbst für das Saubermachen zuständig. Im Hotel wurde mir dann ein Einzelzimmer in Aussicht gestellt.

Diese „Corona-Hotels“ werden vom Israelischen Militär verwaltet.

Ja, dem sog. Heimatfront-Kommando (Pikud haOref), deren Aufgabengebiet vorwiegend im Bereich des Zivil- und des Katastrophenschutzes liegt. Insgesamt war die Zeit im Hotel auf jeden Fall eine Erleichterung. In der Lobby wurden uns Bücher und Gesellschaftsspiele zur Verfügung gestellt. Es gab sogar Tischtennisplatten und Spielekonsolen. Während im Rest des Landes mittlerweile eine Ausgangssperre galt, durften wir uns untereinander frei treffen und unterhalten. Auch hier ein bunter Mix an Bevölkerungsgruppen: Viele junge Menschen, die sich während der Purim-Festlichkeiten angesteckt hatten, aber auch wieder Orthodoxe und einige Araber. Zufällig traf ich sogar eine Freundin aus Armeezeiten, die ich seit 40 Jahren nicht gesehen hatte. Das war schön.

Und die Krankenversorgung?

Einzelne Zimmer des Hotels wurden für medizinische Untersuchungen genutzt. Da ich zwischenzeitlich wieder einige starke Hustenanfälle hatte, war ich letztendlich froh, hier weiter unter Beobachtung zu stehen. Nach ein paar Tagen musste ich dann an drei Tagen hintereinander einen Coronatest machen. Nachdem alle drei negativ ausfielen, durfte ich endlich wieder nach Hause nach Haifa.

Möchtest Du am Ende unseres Interviews noch etwas ergänzen?

Ja, ich möchte mich bei den vielen Ärzten, Pflegekräften,aber auch den Mitarbeitern des Hotels bedanken, die in den letzten Wochen ihre Gesundheit riskiert haben, um mich und die anderen Erkrankten durch diese schwierige Zeit zu bringen. Was diese Menschen in den letzten Wochen geleistet haben, ist wirklich phänomenal und ich bin von ganzem Herzen dankbar!

Lieber Yossi, ich danke dir für dieses Gespräch!

Yossi Tal, Jahrgang 1956, in Haifa/Israel geboren. Studierte Computerwissenschaften und Israel-Studien an der Universität Bar-Ilan. Nach 30 Jahren als Programmierer wechselte er 2013 den Beruf und arbeitet seitdem als Reiseleiter für vorwiegend deutschsprachige Gruppen. Yossi war einer der ersten Corona-Erkrankten in Israel. Mittlerweile ist er wieder gesund und erzählt von seinen Erfahrungen und dem israelischen Umgang mit dem Virus.

Das „Heilige Feuer“ Wunder am orthodoxen Karsamstag in der Grabeskirche 2020

Das „Heilige Feuer“ Wunder am orthodoxen Karsamstag in der Grabeskirche 2020

Der orthodoxe Karsamstag ist einer der Höhepunkte der Jerusalemer Osterfeierlichkeiten.
Auf wundersame Weise – so die orthodoxe Ãœberzeugung – kommt eine göttliche Flamme vom Himmel herab und entzündet die Lampe des Jerusalemer Patriarchen. Dieses Heilige Feuer soll keinen natürlichen Ursprung besitzen und in seinen ersten Minuten nicht abbrennen.

Normalerweise ist es am Karsamstag in der Kirche so voll, dass man kaum etwas sehen kann. Durch die strengen Beschränkungen dieses Jahr war es jedoch möglich, in der Video-Live-Übertagung viele Einzelheiten zu erkennen, die ansonsten im Verborgenen bleiben.

Anbei eine Zusammenfassung der Ereignisse:

Die Fotos entstammen dem Life-Mitschnitt von Factor TV sowie Greek City Times.

Nachdem das Grab nach Zündmitteln durchsucht wurde, wird die Türe der Grabeskapelle mit Wachs versiegelt. Der Wachs wird von der griechisch-orthodoxen Kirche hergestellt, die Türe allerdings von Muslimen versiegelt. Auf den Photo sehen wir Adeeb Joudeh Al-Husseini mit dem Siegel in der Hand.
PS: Am heutigen Samstagmorgen wurde die Kirche von den Armeniern aufgeschlossen. Auch dies ist ein Privileg, dass ansonsten zwei muslimischen Familien, nämlich der Al-Husseini und der Nusseibeh-Familie vorenthalten ist.

Das Grab ist verschlossen und die Türe mit Wachs versiegelt.

Insgesamt ist es in der Kirche ungewöhnlich still: Die Tonqualität der Life-Ãœbertragung ist so gut, dass man die Gespräche der wenigen Besucher gut verstehen kann. Wir belauschen die orthodoxen Priester ebenso wie die israelischen Polizisten: „Geh mal auf die Seite, ich möchte auch noch ein Selfie machen“. Beide nutzen die Gunst der Stunde eines Fotos vor der versiegelten Grab, denn so leer wird die Grabeskirche am Ostersamstag wohl nie wieder sein.

Das Siegel wird gebrochen: Vorne sehen wir die Lampe, die nur einmal im Jahr von den Griechisch-Orthodoxen genutzt wird. In ihr wird das heilige Osterfeuer als Erstes erscheinen.

Die Lampe wurde ins Innere der Grabeskapelle gelegt und wartet im Dunkeln auf das Osterwunder. Vor der Türe stehen „Wachen“. Rechts von der Türe ein armenischer und links ein griechisch-orthodoxer Mönch. Interessanterweise steht ganz rechts zusätzlich ein katholischer Franziskaner. In seinen Sandalen ist er sehr einfach gekleidet und eigentlich glaubt die katholische Kirche nicht mehr an das Wunder des Osterfeuers. Außerdem feierte die katholische Kirche nach ihrem Kalender bereits letzte Woche Ostern und könnte damit den Orthodoxen die Grabeskapelle für deren Feierlichkeiten „überlassen“. Da der Status Quo ihnen jedoch das Recht gibt, sich dazuzustellen, lassen sie es sich auch während der orthodoxen Feierlichkeiten nicht nehmen. (Im Trubel der normalen Feierlichkeiten ist dies nicht so deutlich zu erkennen wie dieses Mal.)

Der Patriarch Theophilos III trägt zur Auferstehung Jesu bereits weiße Festtagskleidung, was nur in Jerusalem üblich ist. Denn eigentlich ist Karsamstag noch Trauerzeit. Er umrundet die Kapelle drei Mal, um dann am Eingang der Kapelle die Krone abzunehmen.

Der Patriarch betritt mit einem Vertreter der armenischen Kirche die Kapelle und anschließend wird die Tür hinter ihm geschlossen. Interessant: Auch der israelische Polizist geht in die Kapelle und bleibt drin. Er soll sicherstellen, dass es zwischen dem Armenier und dem Griechisch-Orthodoxen zu keinem Streit kommt. Auch das sieht man normalerweise nicht, dafür ist es zu voll!
(PS: Den würde ich gerne man fragen, wie sich das heilige Osterfeuer entzündet hat!)

Kurze Zeit später wird das Licht der Grabeskirche ausgemacht. Es ist finster. Man wartet auf das Feuerwunder!


Durch die kleinen Fenster der Kapelle ist zu erkennen: Das Osterfeuer brennt und wird nach draußen gereicht. Durch das kleine Fenster wird das Feuer zuerst an die Griechisch-Orthodoxen und anschließend (auf der anderen Seite) an die Armenier gegeben. Ein Armenier rennt anschließend von der Grabeskapelle zur Empore, wo der armenische Patriarch wartet und das Feuer empfängt.

Kurze Zeit später öffnet sich die Tür, der Patriarch tritt heraus und das Osterfeuer wird verteilt.

Auch die Türe der Grabeskirche öffnet sich wieder und das Osterfeuer wird in alle Welt getragen. Die Erscheinung des Osterfeuers gilt nur als Vorankündigung des eigentlichen Wunders, nämlich der Auferstehung Christus. Diese wird allerdings erst um Mitternacht gefeiert.

Wer Lust hat, kann sich diese Erklärung auch als kurzes Youtube Video anschauen.

Das letzte Mal konnte ich 2017 am Karsamstag in der Grabeskirche sein. Einen kurzen  Eindruck vom Trubel erhaltet ihr auf folgendem Video

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Handwasch-Denkmal in Jerusalem geplant

Handwasch-Denkmal in Jerusalem geplant

Während die Welt noch versucht, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie unter Kontrolle zu bekommen, wird in Jerusalem bereits die Errichtung eines Handwasch-Denkmals geplant. Die Skulptur des berühmten israelischen Künstlers Dani Kishkush soll zwei sich waschende Hände zeigen. Am Eingang des Denkmals sind – im Abstand von 2 Metern voneinander – mehrere Waschmuscheln geplant, wo die Besucher sich die Hände waschen können.  Aufgestellt werden soll das Denkmal unmittelbar vor dem New-Gate, dem nördlichen Eingangstor ins christliche Viertel der Jerusalemer Altstadt.


„Kaum ein Thema hat den Beginn des 21. Jahrhunderts so beeinflusst wie die Frage nach dem regelmäßigen Händehygiene“ sagte Netila Magefa von der Jerusalemer Stadtverwaltung auf einer per ZOOM übertragenen Pressekonferenz. „Dieses Denkmal soll nicht nur Teil der Erinnerung sein, sondern ist vor allem auch für die Zukunft eine eindringliche Mahnung und Aufforderung, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Entsprechend wird der Besuch des Denkmals auch nur mit gewaschenen Händen erlaubt sein!“

Initiatoren des Denkmals sind die Vorsitzenden des jüdisch-muslimischen Dialogprojekts „Naki-Nazif“ Rabbinerin Maijm Beres und Imam Nijja Wudduh: „Das rituelle Händewaschen ist ein verbindendes Element unserer Religionen“ heißt es in einer gemeinsam veröffentlichten Erklärung. „Die Waschung der Hände mit einem speziell dafür vorgesehenen Krug gilt als eines der wichtigsten Gebote des Judentums. Auch im Islam wird vor dem Gebet die rituelle Reinheit durch eine Waschung dadurch hergestellt, indem man sich drei Mal die Hände bis einschließlich der Handgelenke wäscht.“

Kritisiert wurde das Denkmal hingegen vom katholischem Patriarchen Manus Lavabo Innocentia. Die Errichtung des Handwasch-Denkmals am Eingangstor des christlichen Viertels sei eine bewusst provokative Anspielung auf Lukas 11,38  sowie Matthäus 15,2 und damit „heuchlerisch“. Die Tatsache, dass die Kirche eher Fußwaschungen als Handwaschungen propagiere, mache das Christentum noch lange nicht schlechter als Judentum oder Islam. Das Aufstellen eines solchen Denkmals an dieser Stelle würde jedoch suggerieren, dass mangelnde Hygieneregeln im Christentum der Ausbreitung der Krankheit Vorschub geleistet hätten.
Die Einweihung des Denkmals soll heute in einem Jahr, am 1. April 2021 erfolgen.