Wie das Ausräumen unseres Luftschutzbunkers zu einer Zeitreise wurde

Wie das Ausräumen unseres Luftschutzbunkers zu einer Zeitreise wurde

Erschienen auf: Das gesamte Bild – Israel

Am 7. Oktober war unser Luftschutzbunker noch abgeschlossen. Als gegen 08.00 Uhr morgens der erste Raketen-Alarm in Jerusalem ertönte, suchten wir daher Zuflucht in unserem Treppenhaus. Im Falle eines Einschlags wäre dies erstmal der sicherste Ort. Treppenhäuser sind solide gebaut, um das Gewicht des Gebäudes zu tragen, was im Falle eines Raketeneinschlags vor Zusammenbrüchen schützen kann. Das Fehlen von Fenstern reduziert das Risiko von Glassplittern, die bei einer Explosion durch die Luft fliegen. Und im Treppenhaus gibt es weniger brennbare Materialien als in anderen Räumen.

Als wir anschließend den Gebäudebunker im Keller aufschlossen und gemeinsam inspizierten, zeigte sich, dass in den letzten Jahrzehnten nicht nur unser Hausmeister den Bunker als Abstellkammer genutzt hat. „Das Zeug muss alles raus!“ meinte die Nachbarin von unten links, und wir verabredeten uns für den nächsten Morgen, um gemeinsam den Bunker auszumisten.

Das Ausräumen entwickelte sich dann zu einer Zeitreise in die Vergangenheit unseres Hauses. Eine Photowand mit jugendlichen Gesichtern, ein Kassettenrekorder und zahlreiche Musikkassetten zeugten von einer Zeit, in der Jugendliche in den 1980ern den Bunker als Treffpunkt nutzten. Die große Sammlung von Glühbirnen (keine Energiesparlampen) stammt wohl aus der Zeit, als Energieeffizienz noch kein Thema war und die alte Weinfalsche aus den 70er Jahren machte uns zwar Hoffnung auf einen guten Tropfen zu richtigen Stunde. Beim Öffnen der Falsche zeigte sich jedoch, dass die Flüssigkeit selbst als Essig keine Zukunft in unserer Küche finden würde.
Ein gynäkologischer Stuhl, der in einer Ecke stand, sorgte für Diskussionen. Er gehörte vermutlich einem Frauenarzt, der vor Jahrzehnten im Haus praktizierte. Könnte er uns im Ernstfall nützlich sein? Die Nachbarin von unten links war jedoch eindeutig: „ALLES muss raus“ rief sie und begann schon, das historische Stück Richtung Ausgang zu ziehen.

Ein Foto von unserem aufgeräumten Bunker. Der Bilderrahmen hängt auf der rechten Seite über dem braunen Stuhl.

Erhalten geblieben ist uns nur ein Bilderrahmen an der Wand mit der Aufschrift: „Im Notfall – Scheibe einschlagen“ Im Rahmen: Eine Zigarette, ein Streichholz, die Reibefläche der Streicholzschachtel und… ein Kondom! Beim genaueren Hinsehen stellten wir fest, dass das Verfallsdatum in den 90er Jahren lag. Der Rahmen stammt wohl aus der Zeit des Zweiten Golfkriegs, als Saddam Hussein Israel mit Raketen beschoss und viele Israelis mit Gasmasken in ihren Bunkern Schutz suchten.

Mittlerweile ist unser Bunker voll ausgestattet. Neben Wasser, Lebensmitteln und einem Erste-Hilfe-Set hängt der gerahmte Bilderrahmen immer noch prominent an der Wand. Bei Raketenalarm in den Bunker zu rennen, löst jedes Mal erneut Angst aus. Man gewöhnt sich nie daran. Immer wieder schlagen diese Raketen in Wohnhäuser ein und töten Unschuldige. Wir in Jerusalem sind verhältnismäßig selten von Raketenangriffen betroffen, doch die Menschen in der Nähe des Gazastreifens hatten nie die Gelegenheit, ihre Luftschutzbunker zuzumüllen. Sie erleben diesen Horror seit vielen Jahren regelmäßig. Das Abschießen von Raketen auf zivile Gebiete ist eines von vielen schrecklichen Kriegsverbrechen der Hamas.
Mich erinnert der Bilderrahmen daran, stets auf das Unvorhersehbare vorbereitet zu sein. Aber er zeigt mir auch, wie uns schwarzer Humor hilft, selbst in Krisenzeiten durchzuhalten. Das nächste Mal, wenn der Alarm ertönt, werden wir bereit sein.

Manche Gruppen vergisst man nie! Mit Albrecht Weinberg in Israel

Manche Gruppen vergisst man nie!
Letzte Woche war ich mit einer Schulklasse des Albrecht-Weinberg-Gymnasiums Rhauderfehn (im ostfriesischen Landkreis Leer gelegen) in Israel unterwegs. Das Besondere an dieser Reise: Die Gruppe wurde vom Namensgeber der Schule, dem 97-jährigen Holocaustüberlebenden Albrecht Weinberg, persönlich begleitet. Weinberg, 1925 im ostfriesischen Westrhauderfehn geboren, musste schon früh seine Schule verlassen und wechselte auf die Jüdische Schule im nahe gelegenen Leer. Kurze Zeit später wurde er auf einen Hof in Breslau deportiert, wo er mit anderen jüdischen Kindern in der Landwirtschaft Zwangsarbeit leisten musste. Später folgte die Deportation in das Konzentrationslager Monowitz (Auschwitz III). Nach mehreren Todesmärschen u. a. ins Konzentrationslager Mittelbau-Dora wurde Albrecht Weinberg kurz vor Kriegsende 1945 schließlich von britischen Truppen in Bergen Belsen befreit. Weinberg gilt heute als der letzte Überlebende von Bergen Belsen.
Nach dem Krieg baute sich Weinberg in den USA ein neues Leben auf, kehrte jedoch im Alter von 87 Jahren nach Deutschland zurück und erzählt seither Schulklassen und anderen Gruppen von seinem Leben vor und während des Krieges. Mit dem Albrecht Weinberg Gymnasium pflegt er einen besonders engen Kontakt und unterstützt als Zeitzeuge die Schülerinnen und Schüler bei ihren Recherchen über die Geschichte des Nationalsozialismus und den Holocaust, was letztendlich zu der Idee führte, eine gemeinsame Reise nach Israel zu unternehmen.
Besonders bewegend war für mich bei dieser Reise der Besuch der Kotel (Klagemauer) in der Altstadt Jerusalems, wo Albrecht das jüdische Kaddisch-Gebet für die ermordeten Jüdinnen und sprach. Gemeinsam besuchten wir weiter die Gedenkstätte Yad Vashem, das britische Internierungslager Atlit (südlich von Haifa) sowie die Ichud Shivat Zion Synagoge in Tel Aviv, wo in der Eingangshalle der Überrest einer Zehn-Gebote-Tafel, die ursprünglich aus der Synagoge Leer stammt, ausgestellt wird. Alfred Weinberg war der letzte jüdische Junge, der vor der Reichspogromnacht in dieser Synagoge mit dreizehn Jahren seine Bar Mitzwa gefeiert hat.

Israelisches Tourismusministerium testet Roboter als Reiseleiter.

Israelisches Tourismusministerium testet Roboter als Reiseleiter

Israel erlebt einen Tourismusboom: Mit über vier Millionen Touristen im Jahr 2018 verzeichnet Israel einen Anstieg über 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und gerade für deutschsprachige Gruppen mangelt es an geeigneten Reiseleitern.

Um der wachsenden Anzahl von Touristen gerecht zu werden, hat das israelische Tourismusministerium diese Woche mit dem Test von zehn KI-Robotern in der Altstadt von Jerusalem begonnen.

Positioniert werden die Tourguide-Roboter an zentralen Sehenswürdigkeiten wie der Grabeskirche, der Klagemauer aber auch neben dem siebenarmigen Leuchter unmittelbar vor der Knesset – dem israelischen Parlament.

Nach Angaben des Ministeriums sollen die Roboter die jeweilige Sprache der Touristen automatisch erkennen und auf Fragen eine gesprochene und geschriebene Antwort liefern. Letztere soll auf einem Bildschirm angezeigt werden.

Bereits heute können die Roboter über ein interaktives Display den Besuchern Foto-und Videomaterial zeigen, wie es menschliche Reiseleiter nicht tun können.

Zukünftig können sich Touristen dank moderner Technologien wie Hologrammen, Telepresence und Virtual Reality sich vor Ort viel besser vorstellen, wie diese von 2000 Jahren ausgesehen und auf die Menschen damals gewirkt haben.

Während ein virtuelles Modell des jüdischen Tempels bereits realisiert wurde und sich bei vielen Touristen großer Nachfrage erfreut, wird es zukünftig möglich sein, Jesus auf seinem Leidensweg – der Via Dolorosa – zu begleiten und der Kreuzigung (und Auferstehung) direkt beizuwohnen. Auch die nächtliche Himmelsreise Mohammeds könnte so für moslemische Pilger unmittelbar erlebbar werden, wobei sich der Waqf – jene moslemische Stiftung, die heute die Al Aqsa Moschee und den Felsendom verwaltet – aufgrund des moslemischen Bilderverbots bislang strikt gegen diese Idee ausgesprochen hat.

Hilfreich könnten sich Roboter auch für zahlreiche Pilgergruppen erweisen. Nachdem im Rahmen der Weltausstellung der Reformation in Wittenberg die Evangelische Kirche sogenannte Segensroboter erfolgreich testete, wären in Israel zukünftig der Einsatz von modernerer Priester-Robotern bei der Feier von Messen und des Abendmahls denkbar.

Nicht zuletzt können Roboter im Tourismus aber auch einfach ein Gimmick sein: „Es ist auch eine zusätzliche Attraktion“, so Adar Bdicha vom israelischen Tourismusministerium. „Letztendlich bleibt auch der Tourismusbereich in Israel die Zukunft ein gemischter – in der sich Mensch und Maschine ergänzen.“

Deutsche zu Besuch in Israel – Ein Interview mit Uriel Kashi auf belltower.news

Deutsche zu Besuch in Israel – Ein Interview mit Uriel Kashi auf belltower.news

In einem Interview für belltower.news unterhalte ich mich mit Stefan Lauer über meine Arbeit als Reiseleiter in Israel. Dabei geht es um das Israelbild deutscher Touristen, die Faszination, die heute leider viele Rechtspopulisten für Israel hegen wie auch um den Unterschied zwischen deutscher und israelischer Gedenkkultur.

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen:

https://www.belltower.news/antisemitismus-und-gedenken-deutsche-zu-besuch-in-israel-82221/

Stellungnahme des Forums deutschsprachiger Reiseleiter in Israel auf den Brandanschlag in Tabgha

Stellungnahme des Forums deutschsprachiger Reiseleiter in Israel auf den Brandanschlag in Tabgha

Brandanschlag in Tabgha
I.

Mit großem Entsetzen haben wir – eine Gruppe deutschsprachiger Reiseleiter in Israel – von dem abscheulichen Brandanschlag auf das Kloster und die Brotvermehrungskirche in Tabgha am See Genezareth erfahren. Voller Trauer, Wut und Empörung möchten wir an dieser Stelle den Benediktinerbrüdern und -schwestern sowie der christlichen Bevölkerung Israels unsere Solidarität und Anteilnahme aussprechen. Unser besonderes Mitgefühl gilt dem 80 Jahre alten Mönch sowie der 20jährigen Volontärin, die durch das Einatmen des Rauchs verletzt wurden.

II.
Für uns Reiseleiter ist Tabgha eine der wichtigsten Orte im Norden Israels. Unsere Gruppen besichtigen dabei nicht nur die beeindruckenden Mosaike aus byzantinischer Zeit, sondern feiern an der Gebetsstelle Dalmanutha regelmäßig Messen. Viele deutschsprachige Pilgergruppen nutzen das Angebot der Benediktinermönche zu einem persönlichen Gespräch. In diesen Gesprächen erfuhren auch wir von der wunderbaren Arbeit der Tabgha angegliederten Behinderten- und Jugendbegegnungsstätte Beit Noah, in welcher jüdische und arabische Jugendliche die liebevoll gepflegte Gartenanlage als Erholungsstätte nutzen dürfen. Wir erfuhren aber auch, dass es in der Vergangenheit bereits mehrere rassistisch-religiös motivierte Anschläge auf das Tabgha-Kloster am See sowie die Dormitio-Abtei in Jerusalem gegeben hat. Allein in den letzten drei Jahren wurden in Israel über 50 Übergriffe auf Christen und christliche Einrichtungen gezählt. Diese Gewaltakte sind in keiner Weise zu rechtfertigen und nicht mit den Grundwerten des jüdischen Glaubens zu vereinen!

III.
Wir fordern die israelische Regierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die feigen Attentäter zu fassen, vor Gericht zu stellen und mit angemessener Härte zu bestrafen. Wir sind jedoch überzeugt, dass Hassverbrechen – in diesem Fall auf die christliche Gemeinschaft – letztlich nicht durch abschreckende Strafen allein, als vielmehr durch weitreichende pädagogische Maßnahmen zur Förderung von Toleranz und Vielfalt in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft verhindert werden können. In dieser unserer Gesellschaft haben Christinnen und Christen einen festen Platz. Entsprechend fordern wir von der israelischen Regierung und dem Erziehungsministerium, umgehend pädagogische Maßnahmen gegen die rechtsextreme Szene zu ergreifen. Wir stellen uns dabei vor, dass Aktionspläne ausgearbeitet und umzusetzt werden, in der ethnisch-religiöse Vielfalt, Toleranz & Demokratie thematisiert werden. Dieser Anschlag galt nicht nur den Christen. Er galt der israelischen Demokratie!

IV.
Abschließend möchten wir der Tabghagemeinschaft nochmals für ihre großzügige Gastfreundschaft danken, die wir bei unseren zahlreichen Besuchen genießen durften.

Diese Stellungnahme wird unterstützt von (Erstunterzeichner/innen, Stand: 19.06.2015):
Uriel Kashi, Sharon Schwab, Regula Alon, Eva Manger, Naomi Ehrlich Kuperman, Ingrid A. Velleine, Shiri Bendov, Myriam Grob-Rezaioff, Sandra Carmeli, Nora Strunz, Ineke Soesan, Fredi Dzialoszynski, Jonathan Tannhauser, Claudia Borchart, Michal Hoffmann, Gad Ben-Ami, Orit Sodemann, Heiko Sieger, Bertil Langenohl, Ralph Lewinsohn, Ushi Engel, Gabriele Levy, Chaim Lavi, Heidi Fenz, Yehuda Golan-Dim, Michael Cahanov, Claude Sternberg, Deena Clayman, Marion Giladi, Yael Shilo, Anna Jarck, Tati Weiss, Silvia Nirnstein Hess, Miri Henis, Dani Mire, Dani Schuber, Iris Herdan
Weitere Unterstützer findet sich unter der Adresse:
http://www.ipetitions.com/petition/stellungnahme-des-forums-deutschsprachiger

Die Deutsch-Israelische-Gesellschaft Stuttgart organisiert vom 21. – 31. Oktober 2013 eine Studienreise nach Israel.

Während der Fahrt werden die wichtigsten archäologischen Ausgrabungen, biblischen Städten wie auch die Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem besucht.
Gleichzeitig liegt ein Schwerpunkt der Reise auch auf der Zukunft des Landes: Welche Antworten findet Israel auf die wachsenden Umweltfragen und fehlenden Wasservorkommen in der Region? Wie funktioniert die Integration der noch immer aus zahlreichen Ländern kommenden Einwanderer? Und wie verändern der arabische Frühling und die neue politische Realität in den arabischen Nachbarländern die Zukunftsaussichten des Judenstaats?
Abgerundet wird das Programm durch kleine Naturwanderungen in Nationalparks und Naturschutzreservaten sowie einer Wüsten-Safari durch den mächtigen Wadi Zinn Canyon.
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Privater Landausflug von Haifa oder Ashdod

Kreuzfahrttouristen sind eine ganz besondere Sorte von Menschen. Nicht jeder kann damit umgehen, jeden Tag in einem anderen Land aufzuwachen und den unterschiedlichsten Eindrücken und Erfahrungen ausgesetzt zu sein. Ein Besuch in Israel mit der Altstadt Jerusalems oder den christlichen Stätten rund um den See Genezareth ist für viele Besucher der Höhepunkt einer Kreuzfahrt durch das östliche Mittelmeer.

Doch leider ähneln viele der angebotenen Landausflüge großer Kreuzfahrtschiffe eher einer „Kaffeefahrt“ und geben den Besuchern wenig Zeit, die historisch und religiös so tiefgründigen Orte in Ruhe kennen zu lernen. In den vollgepackten Bussen ist es den Reiseleitern oft kaum möglich, sich auf die Interessen der einzelnen Touristen einzustellen.

Seit einiger Zeit biete ich deshalb private Tagesausflüge für Kreuzfahrttouristen an und habe in den letzten Tagen diesbezüglich auch meine Homepage überarbeitet.

Auf folgender Seite findet ihr eine Liste neuer Angebote, die ich Kreuzfahrttouristen in Form von privaten „Landausflügen“ anbiete. Über Feedback jeglicher Art (gerne auch in Form einer privaten Mail) würde ich mich freuen!

PS: Als Antwort für die zahlreichen Mails, die in den letzten Wochen erhalten habe: Ja, ja, ich weiß, der „reiseleiter-israel“- Blog ist in letzter Zeit etwas eingeschlafen 🙂 . Oktober und November war touristische Hauptsaison und es gab sehr viel zu tun. Doch nun, Ende November, komme ich endlich mal wieder zum Schreiben und werde – versprochen – auch wieder “bloggen”. Es ist ja auch einiges passiert hier in den letzten Wochen…

Yad Vashem – Gedenken im Wandel

Yad Vashem – Gedenken im Wandel


Gedenkstätten erzählen von der Vergangenheit. Sie sind jedoch gleichzeitig auch ein Spiegel der Zeit und des Ortes, in denen sie entstanden sind. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat mich gebeten, einen Artikel über Yad Vashem zu schreiben. Die Idee war, Yad Vashem vorzustellen und einer deutschen Leserschaft einen Überblick über Ausstellungskonzeption, Quellensicherung und die pädagogische Arbeit der israelischen Holocaust-Gedenkstätte zu vermitteln. Diese Woche wurde der Artikel schließlich in der Wochenzeitschrift “Aus Politik und Zeitgeschichte” abgedruckt und ist nun auch online lesbar.

http://www.bpb.de/apuz/141896/yad-vashem-gedenken-im-wandel

Holocaust-Gedenktag in Israel

Holocaust-Gedenktag in Israel

Diese Woche fand in Israel der Gedenktag für die Opfer des Holocaust – Yom Hashoa statt. Während in Deutschland am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar – Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee) für die meisten Menschen „Business as Usual“ bedeutet, spürt man in Israel, dass dieser Tag auch 67 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht an Bedeutung verloren hat. Bereits am Vorabend von Yom Hashoa schließen im ganzen Land die Kneipen, Cafés und Diskotheken ihre Pforten. Im Radio wird ausschließlich traurige und melancholische Musik gespielt und im Fernsehen reiht sich eine Holocaust Dokumentation an die nächste. Sogar viele Hotels schmücken ihre Lobbys mit kleinen Holocaust Mahnmalen und an den Hotelbars wird kein Alkohol ausgeschenkt.

Besonders beeindruckend ist jedes Jahr wieder das Aufheulen der Sirenen um 10 Uhr morgens. Menschen unterbrechen ihre Arbeit, mitten auf der Straße steigen Menschen aus ihren Autos und selbst im sonst so turbulenten Supermarkt wird es plötzlich ganz still. Schweigend legen die Menschen eine Trauerminute ein.

Diese Woche begleitete ich den Freundeskreis Yad Vashem – Österreich während einer Rundreise durch Israel. Während der gemeinsamen Teilnahme an den offiziellen Gedenkfeierlichkeiten in Yad Vashem fiel mir mal wieder auf, wie sich der Umgang der Israelis mit dem Holocaust in den letzten Jahren verändert hat.

Betrachtet man israelische Holocaust-Denkmäler aus den 60er und 70er Jahren, so lässt es sich erkennen, dass der gewaltsame Widerstand gegen die Nazis im Zentrum der israelischen Erinnerungskultur stand. Widerstandskämpfer wie Mordechaj Anielewicz galten den jungen Israels als Vorbilder bei ihrem eigenen Überlebenskampf während der zahlreichen Kriege, die Israel gegen die scheinbar übermächtigen arabischen Armeen zu führen hatte.

Völlig anders gestaltete sich die diesjährige Gedenkzeremonie, welche unter dem Motto: „Der Einzelne und die Gemeinschaft. Jüdische Solidarität während des Holocaust.“ stand. Während die israelische Gesellschaft immer weiter auseinander driftet und die Aufsplitterung in Religiöse und Säkulare, Linke und Rechte, Arm und Reich etc. fast unüberwindbar erscheint, sehnen sich die Menschen nach einer größeren Solidarität zwischen den Menschen, wie sie es zur Zeit des Holocaust angeblich gegeben haben soll.

Besonders beeindruckend empfand ich zu Beginn der offiziellen Yad Vashem Zeremonie, wie Korporal Guy Peltz in Militäruniform auf Jiddisch ( 7,20 Minute) das Lied Papirosen sang

Vor der Gründung des Staates Israel wählte der Zionismus das Hebräische als Nationalsprache, wohingegen das Jiddische in Palästina geradezu verfemt wurde. Jiddisch stand für den „alten Juden“, den „schwachen Juden aus der Diaspora“, wohingegen das Hebräische den neuen, starken Juden repräsentierte. Die Verbindung: Israelischer Soldat + Militäruniform + Yiddisches Lied hätte ich für undenkbar gehalten und zeugt von einem gewissen Reifeprozess, den die israelische Gesellschaft bezüglich des Umgangs mit der eigenen Diaspora-Geschichte gemacht hat.

Außerdem: Sehr beeindruckend – wie immer – die Rede von Präsident Shimon Peres, die hier in deutscher Übersetzung nachgelesen werden kann.