Das Yung Yidish Kulturzentrum in Tel Aviv
Neve Sha’anan gehört zu den vernachlässigten Stadtvierteln Tel Avivs. Unweit des schicken Rothschild-Boulevards mit seinen zahlreichen Restaurants und Cafés wie auch den weißen Häuser im Bauhaus-Stil haben sich in den letzten Jahren vor allem afrikanische Flüchtlinge angesiedelt, die das Stadtbild rund um den Levinsky Park prägen. Hier befindet sich auch die „Tachana merkazit“ – nach Neu Delhi der zweitgrößte Busbahnhof der Welt. Das siebenstöckige Gebäude ist ein Koloss aus Beton, größtenteils ohne Fenster und in seinem Inneren labyrinthartig verschachtelt, mit langen Gängen und zahllosen Rolltreppen, billigen Geschäften und Imbissbuden, eine Art Stadt innerhalb der Stadt. Drei der sieben Stockwerke und damit die Hälfte der Geschäfte des ursprünglich auch als Einkaufszentrums geplanten Bahnhofs stehen inzwischen leer und verwahrlosen.
Eigentlich gehört dieser Ort nicht zu den typischen Zielen touristischer Gruppen. In der 5. Etage, am Ende eines düsteren Ganges, eröffnet sich inmitten leerstehender Läden jedoch plötzlich eine ganz eigene, verwunschene Welt: hier hat Mendy Cahan, Schauspieler, Sänger und Literaturwissenschaftler, YUNG YiDiSH gegründet, ein gemeinnütziges Kulturzentrum, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, jiddische Kultur und die jiddische Sprache vor dem Vergessen zu retten.
Bei der Frage nach den heutigen Nutzern des Bibliothek schmunzelt Mendy und erzählt von einem 102-jährigen Jiddisch-Leser, dem er regelmäßig Bücher nach Eilat – ganz im Süden den Landes – sendet. Bei ihrem letzten Telefonat hätte dieser ihn jedoch gebeten, ihm keine „komplizierten Bücher“ sondern lieber „leichte Lektüre zur Entspannung“ zuzuschicken.
YUNG YiDiSH ist aber nicht nur eine Bibliothek sondern auch ein Ort für Konzerte, Lesungen, Theaterabende, Ausstellungen und verschiedenste künstlerische Experimente. Regelmäßig finden hier auf der Bühne umgeben von tausenden jiddischen Büchern kulturelle Veranstaltungen statt. Das Zentrum hat sich so zu einer Art lebendigem Jiddisch-Museum entwickelt, das Jung und Alt, Studenten und Wissenschaftler, Touristen aber auch die Jiddisch-Muttersprachler im Land anzieht.
Weitere Infos finden sich unter: yiddish.co.il/about/
PS: Bei meinem letzten Besuch in Yung Yidish traf ich Judith Poppe, die einen sehr schönen Artikel über das Yung Yidish Kulturzentrum in der taz veröffentlich hat. Vielen Dank für die Zusendung!