Tiraz – Palästinensische Stickereien im Museum für Islamische Kunst
Das Museum für Islamische Kunst in Jerusalem zeigt in seiner neuen Wechselausstellung kunstvoll bestickte Hochzeitskleider palästinensischer Frauen aus den Jahren 1880 – 1948. Die Kleider stammen aus der Sammlung Manuel Kleidmans und werden erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.
Traditionell erlernten junge Mädchen bereits im Alter von 10 Jahren die palästinensische Stickkunst. Die Kleider, auf Arabisch Thob genannt, waren meist aus schwarzem Stoff gefertigt und reichten vom Oberkörper bis zu den Füßen. Entsprechend dauerte die Verzierung des Kleides oft viele Monate. Der Wert dieser Stickkunst lässt sich auch daran ermessen, dass das Brautkleid oft das wichtigste Kleidungsstück der Aussteuer war und nach der Hochzeit nur noch zu ganz besonderen privaten oder öffentlichen Festen getragen wurde.
Gleichzeitig ermöglicht eine genaue Betrachtung dieser Trachten Rückschlüsse auf die Herkunft und finanzielle Situation der Familien. Beduinische Mädchen im Süden des Landes, die oft als Schaf- und Ziegenhirtinnen viel Zeit hatten, investierten weit mehr Zeit in die Verschönerung ihrer Kleider als Mädchen in den Galliläischen Bergen, die durch Landarbeit zeitlich weit mehr eingebunden waren.
Das hier zu sehende weiße Kleid stammt von einer wohlhabenden Christin aus Ramallah und besticht durch seinen Münzschmuck. Interessanterweise nutzte die Familie neben osmanischen Münzen auch Münzen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie – ein besonderer Weg, den Wohlstand der Familie zu präsentieren. Die Kopfbedeckung auf dem Foto links darunter besteht komplett aus Münzen und wiegt etwa 8kg!
Normalerweise findet sich ein Großteil der Stickereien auf dem Brustbereich und an der Unterseite des Kleides. Neben geometrischen Formen und Pflanzenornamentik erkennt man Stickereien vom Halbmond, von Sternen und Wellen. Die traditionelle Vorstellung war, dass die Darstellung positiver Naturkräfte die Braut vor bösen Dämonen und dem sogenannten „Bösen Blick“ schützen könnte. Eine ähnliche Funktion erfüllten gestickte Tierdarstellungen.
Neben den Stickereien gab es natürlich auch qualitative Unterschiede bei der Wahl der Materialien. Das rechts unten abgebildete sehr wertvolle Kleid aus feinem Atlas-Stoff wurde durch eine kunstvoll gestaltete Burka ergänzt. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die Burka wie auch die Stickereien im Brustbereich weniger der Verhüllung der Frau dienen, als vielmehr ihre Attraktivität verstärken sollten.
Die Ausstellung ist bis Ende März im Islamischen Museum zu sehen.
L. A. Mayer Museum für islamische Kunst
HaPalmach St 2
Jerusalem, 91040
Stellungnahme des Forums deutschsprachiger Reiseleiter in Israel auf den Brandanschlag in Tabgha
I.
Mit großem Entsetzen haben wir – eine Gruppe deutschsprachiger Reiseleiter in Israel – von dem abscheulichen Brandanschlag auf das Kloster und die Brotvermehrungskirche in Tabgha am See Genezareth erfahren. Voller Trauer, Wut und Empörung möchten wir an dieser Stelle den Benediktinerbrüdern und -schwestern sowie der christlichen Bevölkerung Israels unsere Solidarität und Anteilnahme aussprechen. Unser besonderes Mitgefühl gilt dem 80 Jahre alten Mönch sowie der 20jährigen Volontärin, die durch das Einatmen des Rauchs verletzt wurden.
II.
Für uns Reiseleiter ist Tabgha eine der wichtigsten Orte im Norden Israels. Unsere Gruppen besichtigen dabei nicht nur die beeindruckenden Mosaike aus byzantinischer Zeit, sondern feiern an der Gebetsstelle Dalmanutha regelmäßig Messen. Viele deutschsprachige Pilgergruppen nutzen das Angebot der Benediktinermönche zu einem persönlichen Gespräch. In diesen Gesprächen erfuhren auch wir von der wunderbaren Arbeit der Tabgha angegliederten Behinderten- und Jugendbegegnungsstätte Beit Noah, in welcher jüdische und arabische Jugendliche die liebevoll gepflegte Gartenanlage als Erholungsstätte nutzen dürfen. Wir erfuhren aber auch, dass es in der Vergangenheit bereits mehrere rassistisch-religiös motivierte Anschläge auf das Tabgha-Kloster am See sowie die Dormitio-Abtei in Jerusalem gegeben hat. Allein in den letzten drei Jahren wurden in Israel über 50 Übergriffe auf Christen und christliche Einrichtungen gezählt. Diese Gewaltakte sind in keiner Weise zu rechtfertigen und nicht mit den Grundwerten des jüdischen Glaubens zu vereinen!
III.
Wir fordern die israelische Regierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die feigen Attentäter zu fassen, vor Gericht zu stellen und mit angemessener Härte zu bestrafen. Wir sind jedoch überzeugt, dass Hassverbrechen – in diesem Fall auf die christliche Gemeinschaft – letztlich nicht durch abschreckende Strafen allein, als vielmehr durch weitreichende pädagogische Maßnahmen zur Förderung von Toleranz und Vielfalt in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft verhindert werden können. In dieser unserer Gesellschaft haben Christinnen und Christen einen festen Platz. Entsprechend fordern wir von der israelischen Regierung und dem Erziehungsministerium, umgehend pädagogische Maßnahmen gegen die rechtsextreme Szene zu ergreifen. Wir stellen uns dabei vor, dass Aktionspläne ausgearbeitet und umzusetzt werden, in der ethnisch-religiöse Vielfalt, Toleranz & Demokratie thematisiert werden. Dieser Anschlag galt nicht nur den Christen. Er galt der israelischen Demokratie!
IV.
Abschließend möchten wir der Tabghagemeinschaft nochmals für ihre großzügige Gastfreundschaft danken, die wir bei unseren zahlreichen Besuchen genießen durften.
Diese Stellungnahme wird unterstützt von (Erstunterzeichner/innen, Stand: 19.06.2015):
Uriel Kashi, Sharon Schwab, Regula Alon, Eva Manger, Naomi Ehrlich Kuperman, Ingrid A. Velleine, Shiri Bendov, Myriam Grob-Rezaioff, Sandra Carmeli, Nora Strunz, Ineke Soesan, Fredi Dzialoszynski, Jonathan Tannhauser, Claudia Borchart, Michal Hoffmann, Gad Ben-Ami, Orit Sodemann, Heiko Sieger, Bertil Langenohl, Ralph Lewinsohn, Ushi Engel, Gabriele Levy, Chaim Lavi, Heidi Fenz, Yehuda Golan-Dim, Michael Cahanov, Claude Sternberg, Deena Clayman, Marion Giladi, Yael Shilo, Anna Jarck, Tati Weiss, Silvia Nirnstein Hess, Miri Henis, Dani Mire, Dani Schuber, Iris Herdan
Weitere Unterstützer findet sich unter der Adresse:
http://www.ipetitions.com/petition/stellungnahme-des-forums-deutschsprachiger
Diese Woche findet in Jerusalem wieder das jährliche Licht-Festival statt. Künstler aus aller Welt präsentieren ihre Lichtinstallationen und projizieren diese an die Altstadtmauern oder an antike Gebäude. Während Kinderzeichnungen das Damaskustor in bunten Farben leuchten lassen, spazieren Comic-Figuren über das Christian-Information-Center am Jaffa-Tor.
Besonders gelungen fand ich dieses Jahr eine Live Sand-Licht Projektion der israelischen Künstlerin Sheli Ben Nun. Wie mit Zauberhänden erschuf Sie auf einer Glasplatte voller Sand Phantasielandschaften und menschliche Charaktere, die sogleich an die Mauern zum Leben erweckt wurden. Am Ende durften die Zuschauer sogar Zeugen eines Heiratsantrags werden. Der künftige Bräutigam bat Sheli, seinen Antrag vor allen Zuschauern an die Wand schreiben. Kein Wunder, dass bei soviel Charme seine Freundin Nataly sofort ihr Ja-Wort gab.
Dieses Jahr beschloss ich, an Purim einen Spaziergang durch das orthodoxe Mea Shearim Viertel zu unternehmen.
Purim, der „jüdische Fasching“ ist einer der fröhlichsten Feiertage im Judentum. Im Gegensatz zum christlichen Karneval wird mit Purim jedoch nicht die Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern eingeläutet. Stattdessen feiert man die Errettung des jüdischen Volkes vor der drohenden Ermordung durch Haman, einem hohen Regierungsbeamten des persischen Königs Achaschwerosch (hebräisch für Xerxes I.) im 5. Jh. v. Zt.. Eine wichtige Rolle bei der Rettung der Juden spielt Mordechai, der Cousin von Königin Esther.
In der Buch Esther wird die Geschichte ausführlich erzählt. Ungewöhnlich für ein biblisches Buch taucht Gott als Retter in der Geschichte jedoch nicht auf: Hat Gott hier im Verborgenen gewirkt, hat er sich gar verkleidet?
Gemäß dem biblischen Bericht findet im Anschluss an die Rettung der Juden ein großes Trinkgelage statt und entsprechend entwickelte sich im Judentum die Tradition, einmal im Jahr soviel zu trinken „ad lo jada“, bis man „nicht mehr weiss“, wer in der Purimgeschichte eigentlich der Bösewicht (Haman) und welche Funktion Mordechai hatte. Weiter nehmen sich Juden in aller Welt das Purimfest zum Anlass, sich zu kostümieren und ausgiebig zu feiern.
Auch in Mea Shearim trifft man viele Erwachsene und Kinder in lustigen und kreativen Kostümen. Es ist ein „Alles ist erlaubt“ Tag: Orthodoxe Juden verkleiden sich als arabische Scheichs und Kinder probieren ihre erste Zigarette.
Und auch an Trinkgelagen mangelt es nicht. Die orthodoxe Begründung für das ungewöhnliche ungehemmte Besäufnis: Das jährliche „sich betrinken“ zeuge für ihr besonders großes Gottvertrauen. Auch im trunkenen und damit vollkommen hilflosen Zustand habe man nichts zu fürchten. Bei drohender Gefahr würde Gott ihnen immer zur Hilfe kommen.
Aufkleber und Graffiti sind in Israel ein populäres Mittel, die eigene politische Meinung, Weltanschauung oder Vorliebe mehr oder weniger kreativ seinen Mitmenschen zu offenbaren. Besonders in den 90er Jahren gab es kaum ein Auto, auf dessen Heckscheibe nicht ein Aufkleber prangte, welcher die Verhandlungen mit den Palästinensern oder das Verhältnis zwischen Staat und Religion innerhalb Israels zustimmend oder kritisch kommentierte. Damals schrieb auch David Grossmann den berühmten Sticker-Song, der anschließend von der Hip-Hop Band HaDag Nachash vertont wurde. (Vgl. Endes dieses Blockbeitrags)
Auch zum aktuellen Konflikt entdecke ich auf Jerusalems Straßen ständig neue Bildwerke, die die Meinungsvielfalt innerhalb Israels, aber auch die z.T. etwas abstruse Weltsicht einiger Individuen dokumentieren.
Der erste hier vorgestellte Aufkleber erschien kurz nach der Ermordung der drei jüdischen Jugendlichen Naftali Fraenkel (16), Gilad Shaer (16) und Eyal Yifrah (19) im Juni 2014. In fast biblischem Hebräisch fordert der Text, auf den tragischen Tod mit dem Gebot der Nächstenliebe zu reagieren, damit die Seelen der Verstorbenen unbeschwert in die himmlischen Sphären aufsteigen könnten. Gott würde das Blut der Ermordeten rächen.
Auf die folgende Militäroffensive reagiert der zweite Aufkleber. Hier heißt es: „Wir stärken und umarmen die Soldaten der Zahal (Israel Defense Forces – IDF) und trauern mit jenen, die in diesem Krieg Angehörige verloren haben.“
Aus einer ganz anderen Szene stammt hingegen das folgende Graffiti, welches ich an einer Bushaltestelle in der Gaza-Street entdeckte: „Untersuchungshaft = Entführung“ steht auf großen Lettern. Illustriert wird der Spruch mit einer Handschelle.
Bezug nimmt der Graffiti wahrscheinlich auf die umstrittene „Administrative Haft“, welche von israelischen Militärgerichten gegenüber militanten Palästinensern verhängt wird. Aufgrund von „Sicherheitsrisiken“ kann es dabei passieren, dass weder die Betroffenen noch deren Anwälte die genauen Gründe und Beweise für die Inhaftierung erhalten und es auch zu keinem offiziellen Strafverfahren kommt. Auch wenn ich denke, dass die Praxis der Administrativhaft ein Ende finden muss und die Gefangenen in fairen Gerichtsverfahren angeklagt und gegebenenfalls verurteilt werden müssen, ist die Gleichsetzung mit der Entführung und Ermordung der o.g. Jugendlichen sicherlich geschmacklos.
In die gleiche Stoßrichtung folgt ein weiteres Graffiti, wo es einfach heißt: „Freiheit für alle politischen Gefangenen“.
Mein „Lieblingsposter“ stammt jedoch aus dem ultraorthodoxen Mea Shearim Viertel:
Vier mit Atomsprengköpfen (!) bestückte Raketen fliegen von links in das Poster hinein, direkt darunter ein kaputtes iPhone. Eine Erklärung bietet der Text auf der rechten Seite:
„Während die Raketensirenen ertönen [Anm. U.K.: Auch Jerusalem wurde – wenn auch seltener – mit einigen Raketen aus dem Gazastreifen beschossen], nehmen wir es auf uns und werfen die iPhones und ähnlichen Geräte hinfort. Wir reinigen unsere Häuser von diesen sündigen Geräten. Sodann werden wir [vom Raketenbeschuss] erlöst.
Moderne Smartphones werden von einigen Ultraorthodoxen strikt abgelehnt, da sie den Zugriff ins Internet und somit auf „unanständige Seiten“ ermöglicht. Dies verhindere ein Leben gemäß der Heiligen Schriften.
Und wer es noch nicht kennt, hier noch der „Sticker-Song“ von HaDag Nachash
Die Übersetzung des Texts stammt aus der Seite von Hagalil
Eine ganze Generation fordert Frieden!
Lasst ZaHaL siegen!
Ein starkes Volk macht Frieden!
Lass ZaHaL sie zerfetzen!
Mit Arabern kann es keinen Frieden geben!
Gebt ihnen (den Palästinensern) keine Gewehre!
Es geht nichts über die Kampfeinheit, mein Bruder!
Wehrdienst für Alle! Freistellung für Alle!
Es gibt doch keine Verzweiflung in der Welt!
Judaea, Samaria und Gaza sind hier!
NaNachNachman aus Uman…
Keine Angst, der Messias ist nah!
Keine Araber, keine Anschläge!
Der Oberste Gerichtshof (BaGaZ) gefährdet Juden!
Das Volk steht zum Golan!
Das Volk ist für den Transfer (Araber raus)!
Lass Deinen Wagen in Jarka checken! (Werbung einer Autowerksatt)
Chawer, atah chasèr! (d.h. “Freund du fehlst!”, gemeint ist Rabin)
Heiliger, gelobt seiest Du, wir wählen Dich!
Direktwahl (des Premiers) ist schlecht!
Heiliger, gelobt seiest Du, wir ereifern uns für Dich!
Tod den Eiferern (Zeloten)!
Im Chor: O je, wieviel Übel kann man schlucken!
Vater, hab Erbarmen, Vater, hab’ Erbarmen,
Ich heisse Nachman – und ich stottere.
O je, wieviel Übel kann man schlucken!
Vater, hab Erbarmen, Vater, hab’ Erbarmen,
G’tt sei Dank! Ich atme!
Ein Staat nach Halakhah (Religionsgesetz) – ist kein Staat mehr.
Wer geboren wurde, der hat schon gewonnen!
Es lebe der König Mashiach (Messias)
Ich fühle mich sicher, beim Frieden á la Sharon!
Hebron für immer und ewig!
Und wer nicht geboren wurde, der hat verloren.
Hebron, Stadt der Väter!
Bye, bye Transfer!
Kahane hatte Recht!
CNN lügt!
Wir brauchen starke Führung!
Frieden ist klasse und Danke für die Sicherheit.
Wir haben keine Kinder für unnötige Kriege!
Die Linke hilft den Arabern!
Bibi ist gut für die Juden.
Oslo Verbrecher vor Gericht!
Wir hier, sie dort!
Brüder vertreiben einander nicht! (Aufruf gegen die Räumung der Siedlungen)
Die Räumung von Siedlungen spaltet das Volk!
Tod den Verrätern!
Lasst die Tiere leben!
Tod den Werten!
Im Chor: Wieviel Übel kann man nur schlucken!
Vater, hab Erbarmen, Vater, hab’ Erbarmen,
Ich heisse Nachman – und ich stottere.
Wieviel Übel kann man schlucken!
Vater, hab Erbarmen, Vater, hab’ Erbarmen,
G’tt sei Dank! Ich atme!
Vernichten, töten, vertreiben, täuschen!
Eliminieren, Ausliefern, Todesstrafe!
Niederreissen, Ausradieren, Niederwerfen bis zum Grund!
… an allem bist Du Schuld, Chawer!*
*) Mit Chawer (Freund) ist wieder Rabin gemeint, der “Hauptverbrecher von Oslo”, der am 4. Nov. 1995 von einem aufgehetzten Rechtsextremisten erschossen wurde. Geprägt wurde die Bezeichnung “Chawer” von US-Präsident Bill Clinton, der seine Abschiedsrede bei der Beerdigung mit “Shalom Chawer! Good bye, friend!” abschloss.
Wir befinden uns im Jahre 69 nach Christus. Ganz Judäa ist von den Römern besetzt…. Ganz Judäa? Nein! Ein von unbeugsamen Juden bevölkertes Städtchen namens Jerusalem hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Doch leider verfügt die jüdische Gemeinde der Stadt nicht über jenen berühmten Zaubertrank, welcher die Gallier vor weiteren Übeln schützte und bereits im Jahre 70 gelang es dem römischen Feldherrn Titus die Stadt zunächst zu erobern und schließlich zu zerstören.
Dies hätte das Ende des Judentums bedeuten können. Doch der berühmte jüdische Rabbiner Jochanan Ben Zakkai hatte das große Unglück vorhergesehen und die belagerte Stadt gerade noch rechtzeitig verlassen. Die Legende erzählt, er hätte vom römischen General Vespasian die Erlaubnis erhalten, mit seinen Schülern eine Akademie in Yavne, südlich vom heutigen Tel Aviv zu gründen. Hier versammelte sich in den folgenden Jahren der „Sanhedrin“ – eine Art „Rat“ jüdischer Autoritäten – der bis zu seiner Auflösung im dritten Jahrhundert die Entwicklung des Judentums nachhaltig prägte. Schon bald verlegte dieser Sanhedrin seinen Standort in den Norden des Landes, der sich in den folgenden Jahrhunderten zum Zentrum jüdischen Lebens im Heiligen Land verwandelte.
Stationen des Sanhedrin
Spätestens im Jahre 140 gelangte der Sanhedrin nach Beit Shearim – heute östlich von Haifa gelegen. Antike Schriften erzählen uns von einem prachtvollen Ort jüdischen Lernens, wo der Patriarch Juda Ha-Nassi die Schlussredaktion der „Mishna“ – eine schriftliche Aufzeichnung der Religionsgesetze – vorgenommen haben soll. Hier soll Ha-Nassi sogar begraben liegen und es wird berichtet, dass bei seinem Begräbnis die Sonne am Himmel wartete bis auch der letzte seiner zahlreichen Schüler dem großen Rabbiner die letzte Ehre erweisen konnte. Und tatsächlich: Inmitten von Kreidehügeln fanden Archäologen in den weichen Kreidestein gegrabene Katakomben mit zahlreichen gewölbten Grabkammern und Hunderten Sarkophagen mit Hebräischen und Griechischen (!) Inschriften. Die Sarkophage aus Kalkstein oder Marmor (je nach Stellung des Toten) weisen beeindruckende Verzierungen auf. Sie zeigen Adler und Löwen, aber auch jüdische Symbole wie den siebenarmigen Leuchter oder das Eingangstor zum jüdischen Tempel. Nach dem Tode des Patriarchen entwickelte sich der Ort offenbar zu einem beliebten Begräbnisort wohlhabender Juden aus der gesamten Region.
Grabeshöhle in Beit Shearim
Von Beit Shearim wanderte der Sanhedrin weiter nach Zippori, ein auf dem Gipfel eines kleinen Berges gelegenes Städtchen, indem sowohl Römern als auch Juden lebten. Auch hier sind die archäologischen Funde nicht weniger imposant. Neben einem beeindruckenden römischen Theater mit etwa 4500 Sitzen und dem jüdischen Priesterviertel, in welchem fast jedes Haus über ein privates rituelles Tauchbad (Mikwe) verfügte, wurde in einem etwas tiefer gelegenen Stadtviertel eine Synagoge aus dem 6. Jahrhundert ausgegraben, die besonders wegen ihres beeindruckenden Mosaikfußbodens sehenswert ist.
Nilometer Mosaik in Zippori
Neben zahlreichen Szenen aus der Bibel und einem Sternzeichenkreis findet sich in der Mitte der Synagoge die Darstellung von Helios, dem griechischen Gott der Sonne. Die jüdischen Bewohner der Stadt schienen sich um die alten Traditionen der Religion nicht besonders zu scheren, sondern versuchten stattdessen, die umliegenden heidnischen Gottesvorstellungen in das eigene Gottesbild zu integrieren. Beeindruckende Mosaikfußböden finden sich in Zippori mehr als in jeder anderen archäologischen Fundstelle Israels. In einer römischen Villa fand sich sogar die Darstellung eines Trinkwettbewerbs zwischen dem Gott des Weines Dionysus und Herkules. Ob diese Villa vielleicht sogar die Zweitwohnung des Juda Ha-Nassi gewesen sein könnte, ist unter den Historikern umstritten.
„Mona Lisa“ Mosaik in Zippori
Besucht man heute als Tourist die galiläischen Berge, hört und liest man viel über die Bedeutung der Region für das Christentum. In Nazareth verbrachte Jesus einen Großteil seines Lebens. Hier wie auch an der Nord-Westküste des Sees Genezareth heilte er Kranke, vollbrachte Wunder und scharte zahlreiche Jünger um sich. Vergessen wird dabei oft die jüdische Geschichte der Region. Die vergangenen Zeilen versuchten, dem geneigten Leser Lust zu machen, bei einem zukünftigen Israelbesuch auch ein paar abgelegene, aber nicht weniger spannende Orte jenseits der ausgetretenen Pilgerpfade zu besuchen.
Was denken ultraorthodoxe Juden über den Zionismus? Was wissen sie über Jesus und Mohammed? Wo befindet sich nach Ansicht jüdischer Israelis Palästina? Wollen jüdische Israelis, dass die arabische Welt Israel als „Jüdischen Staat“ anerkennt? Was halten Palästinenser von dieser Forderung? Was halten arabische Israelis von „Ihren“ Abgeordneten in der Knesset? Was denken Sie über die Hamas? Warum wollen arabische Israelis nicht (?) in der israelischen Armee dienen? Was denkt man in Bethlehem über Homosexualität?
Diese und viele weitere Fragen stellt Corey Gil-Shuster mit seiner Videokamera „bewaffnet“ ganz unbedarften Israelis und Palästinensern. Er trifft sie im Supermarkt, in der Universität, im Park oder in der Synagoge. Die Antworten überraschen! Selten hört man wirklich radikale Stimmen, auf beiden Seiten erhält er oft sehr differenzierte und nachdenkliche Antworten. Manchmal verwundert die Unwissenheit vieler Passanten, wenn es z.B. darum geht, eine Landkarte Israels und der palästinensischen Gebiete zu zeichnen! Es wird deutlich, dass sich viele Israelis und Palästinenser letztendlich nur oberflächlich mit „dem Konflikt“ beschäftigen und sich lieber anderen Themen widmen.
Gil-Shuster stammt ursprünglich aus Kanada und wanderte 1995 nach Israel ein. Auf seiner YouTube Seite versucht er, Palästinensern und Israelis ein authentischeres Bild der Ansichten von der jeweils „anderen“ Seite zu vermitteln. Ein sehr schönes Projekt, das auch interessierten Beobachtern aus dem Ausland die unterschiedlichen Perspektiven und die Komplexität verschiedener Identitäten deutlich macht.
Draw Israel
Israeli Arabs: Will you serve in the Israeli army?
Secular Jewish Israelis: Would you date someone not Jewish?
In Jerusalem demonstrierten heute mehrere hunderttausend jüdische Orthodoxe gegen die Einfühung der allgemeinen Wehrpflicht. Auf das nicht immer einfache Verhältnis der Ultraorthodoxen zum heutigen Staat Israel bin ich in einem früheren Blogbeitrag bereits eingegangen. Seither hat sich die Lage weiter zugespitzt. Die neue Regierung hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, der vorsieht, die Wehrpflicht schrittweise auch auf ultraorthodoxe Männer auszuweiten.
Grund für den Gesetzesentwurf ist u.a., dass der oberste Gerichtshof die bisherige Befreiung der Ultraorthodoxen vom Wehrdienst als unrechtmäßig eingestuft hat. Weiter hofft die Regierung durch die Ausweitung der Wehrpflicht langfristig mehr Ultraorthodoxe in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Die heutige Gegendemonstration – eine der größten Demonstrationen in der Geschichte Israels – begann mit lauter Musik und einem gemeinsamen Nachmittagsgebet. Während ich die Demonstration beobachtete, empfand ich die Stimmung als sehr entspannt und überhaupt nicht gewalttätig. Dennoch ist die erfolgreiche Massenmobilisierung natürlich eine Hinweis für die Regierung, dass missliebige Entscheidungen durchaus auf Widerstand in der orthodoxen Bevölkerung stoßen wird.
Anbei ein paar Photos vom heutigen Tag inkl. Übersetzung der Schilder:
„Wie ein Goj (Nichtjude) leben, könnten wir auch in Norwegen“
„Es wird nicht gelingen, uns den Militärdienst aufzuzwingen“
„Die Israelische Regierung schikaniert und zerstampft grob observante Juden“
Männer und Frauen demonstrieren getrennt. Hier die Männerseite…
… und hier die Frauenseite…
„Nur in Israel gilt das Thora lernen als Verbrechen!!!“
Partystimmung verbreiteten (wie immer) die Anhänger des Rabbi Nachman von Breslov
Bereits vor ein paar Monaten fand ich bei einem Spaziergang durch Mea Shearim folgenden Aufkleber. Ein israelischer Soldat macht sich auf die Jagd nach völlig schockierten kleinen orthodoxen Jungs…
Wir dürfen gespannt sein, wie sich dieses Thema weiter entwickeln wird.
Jerusalem, die Heilige Stadt. Sie ist das Ziel zahlreicher Pilger weltweit, ein Ort zwischen Religionen, Kriegen und Kulturen. Uriel Kashi, Reiseleiter in Israel, zeigt seinen Gästen aber auch ein anderes Jerusalem. Das, in dem Christen, Moslems und Juden nebeneinander und miteinander leben und sich arrangieren. Das Jerusalem, in dem im selben Laden T-Shirts mit »Free Palestine!« – Aufdruck, Motiven der israelischen Armee, von Jesus und von Popstars ausliegen. Er zeigt die Heilige Stadt mit Kirchen, Moscheen und Schreinen und die Stadt, in der die etwa eine Million Einwohner täglich ihren Geschäften nachgehen.
Ende letzten Jahres (2013) gab ich der Journalistin Susann Lederer ein Interview über Jerusalem und meine Stadtführungen dort.
Heute erschien der Artikel im Reisemagazin der Urlaubsbuchungswebsite www.ab-in-den-urlaub.de.
Wer Lust auf den Artikel hat, findet ihn im PDF-Format (5.5 MB) auf meiner Homepage unter:
Heiliger Müll, oder Pessachputz an der Klagemauer.
Die Kotel – auch unter dem Namen „Klagemauer“ bekannt, gilt als einer der wichtigsten Orte des Judentums. Unweit der Stelle, wo bis vor 2000 Jahren der jüdische Tempel stand, sei – so erzählt es die mystische Lehre der Kabbala – die „göttliche Anwesenheit“ ganz besonders präsent. Entsprechend entwickelte sich bereits vor vielen hundert Jahren die Tradition, kleine Briefe mit Fürbitten und Wünschen in eine der zahlreichen Ritzen der Mauer zu stecken, in der Hoffnung, dass diese Gebete vom lieben Gott vielleicht etwas schneller erhört werden könnten.
Heute können Gläubige ihre Wünsche sogar per Internet nach Jerusalem schicken, wo sie ausgedruckt und in eine der Spalte gestopft werden. Für eine kleine Spende ist man unter www.jerusalemwesternwall.com sogar dazu bereit, einen Rabbiner dabei zu filmen, wie er das kleine Zettelchen in eine der Mauerspalten drückt und es segnet. Anschließend wird das Video des Ganzen auf YouTube veröffentlicht.
Während manche Gläubige statt kleinen Briefen auch mal ein paar hundert ungedeckte Schecks an der Klagemauer hinterlassen, zeigte sich Bart Simpson in der berühmtem Israel-Folge grundsätzlich skeptisch, ob die vielen ausformulierten Wünsche überhaupt erfüllbar sind.
Oft werde ich gefragt, was eigentlich mit den vielen Millionen Papierschnitzeln passiert, die sich über die Jahre ansammeln? Die Antwort lautet, dass sie 2x im Jahr (vor dem Neujahrsfest Rosh Hashana und vor Pessach) von extra ausgebildeten Arbeitern unter der Aufsicht des zuständigen Rabbiners gesammelt und auf dem großen jüdischen Ölberg-Friedhof begraben werden. Vor ihrer Arbeit müssen die Arbeiter übrigens noch in der Mikwe (dem rituellen Tauchbad) untertauchen und selbstverständlich ist es gemäß der Halacha streng verboten, die Gebete und Texte auf den zahlreichen Zetteln zu lesen.
Heute standen vor der Klagemauer zwei große Wägen mit Müllsäcken, aufgefüllt mit Hunderten von diesen kleinen Zettelchen, kurz bevor Sie zum Ölberg gebracht werden sollten. Ich habe die Säcke als Beweis für meinen Blog fotografiert. Kurzum: Es gibt wieder Platz für neue Gebete!